Noch immer erkennt man an zahlreichen Gebäuden den Baustil der ersten Blütezeit des Badebetriebes in der Wilhelminischen Epoche, als der Arzt Hufeland das Kuren propagierte, auch wenn manch alte Holzfassade abgerissen werden musste. Zahlreiche öffentlich zugängige Quellen (Georg-Viktor-, Helenen-, Königs-, Tal- und Stahlquelle) mit teilweise hohem Hydrogencarbonatgehalt wurden ökonomisch genutzt. Die letzte Blüte erlebte Wildungen und besonders das benachbarte Reinhardtshausen (eigene Quelle mit Park) dann durch den starken Zuwachs des Kurbetriebes in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts zur Zeit des "Wirtschaftswunders", nach dessen Ende versucht man bis heute mit Wortgeklingel (Umbenennungen der Sanatorien in Kliniken) und mit teuren architektonischen Gimmicks den Niedergang weg zu renovieren, und mit der Erschliessung der hierzu benötigten Geldquellen (Parkgebühren) vertreibt man Gäste gleich wieder.
Die schwindende Zahl an Urlaubern und Kurgästen ist gerade an der Peripherie nicht zu übersehen, wenn man den Ort wie der Autor seit 1962 kennt (einige Aufenthalte im ehemaligen Haus "Brunnenfeld" und Haus "Geiss", später regelmässige Kurzbesuche). Die Wälder sind beinahe leer, Pensionen geschlossen, das halbrunde Parksanatorium aus den 60ern direkt oberhalb der Wandelhalle, seinerzeit architektonisch ganz modern, steht seit Jahren ungenutzt herum, die idyllisch gelegene Helenenquelle (2. Bild von links) wurde seinerzeit im Stil der späten 60er modernisiert, früher viel besucht und einst mit eigener Trinkglasaufbewahrung, liegt heute ganz einsam im Wald.
Vielleicht kann man gerade deshalb heute einen Besuch oder Urlaub empfehlen, es ist nicht mehr so überfüllt wie vor 40 Jahren. Ein schönes Ensemble aus Kultur und Natur bietet sich ja noch immer, viele kleine Sehenswürdigkeiten und Denkmale (Waldhaussee mit Kriegerdenkmal und Teichen, Dr. Marc-Turm, Hügelgräber, Fünfzehneichen, Diabasaufschluss, Korteklippe, Tierpark im "Zimmergrund") sind um den Ort verstreut, um einige der Heilquellen sind Parkanlagen angelegt, vom schlichten Minimalbau der Talquelle bis zur grossen fragwürdig mit Glas und Metall modernisierten wilhelminischen Wandelhalle (Bild links) im heute kostenlos zugängigen Hauptkurpark mit wunderschönem alten Baumbestand (Bild Mitte), die enge Altstadt auf einem Hügel, mit sehenswerter Kirche, die breite zweizügige Brunnenallee, das über der Stadt thronende barocke Schloss Friedrichstein. Auch Reste der wilhelminischen grossbürgerlichen Fassadenarchitektur in Metall und Holz sind noch erhalten. Herrliche Laub- und Nadelwälder umgeben Wildungen auf 3 Seiten, denn der dichte hochwellige Kellerwald grenzt unmittelbar an den Ort, im Osten beginnt das niedrigere hügelige Wald- und Agrarland bis Fritzlar, Wabern und Homberg ebenfalls direkt am Ort. Wildungen kann mit seiner Natur und seinen historischen Kulturrelikten mehr kokettieren als mit dem Nachlaufen der Postmodernen.
Nur wenige Kilometer sind es bis zum schlangenförmigen grossen Edersee mit steinerner Staumauer und Burg Waldeck auf seinem Rundberg (Bild rechts). Weiter im Norden der beschauliche Twistestausee. Südlich in Bergfreiheit gibt es eine Steinschleiferei, einen Besuchersteinbruch. Fritzlar mit seinem Dom ist auch nicht viel weiter. Zahlreiche Bauerndörfer wie Albertshausen oder Haina, in denen die Zeit fast stehen geblieben ist, durchquert man auf seinen Rundfahrten durch das Ederbergland sowieso. Ob Kind, ob Senior, ob Mittelalter, jeder dürfte hier noch immer seine nahen oder ferneren Ziele finden. Auch ohne Auto gibt es genug zu Fuss zu erkunden, dadurch hat gerade dieser Badeort einen hohen Ferienwert.
Wer das Flair vergangener Epochen mag und zwischen völliger Ruhe am Stadtrand oder in den Bauerndörfern ringsherum mag, oder lieber den gemässigten Trubel inmitten der Stadt auswählen möchte, liegt hier richtig. Vom Bauernhof in der Umgebung über die Frühstückspension am Waldrand bis zum grossen Hotel an der zumindest im Sommer noch gern besuchten "Prachtstrasse" Brunnenallee kann man wie einst auch noch heute auswählen. Der Bereich Brunnenfeldstrasse und Zimmergrundstrasse ist besonders empfehlenswert, wenn man kein Auto hat. Wer mit dem Auto kommt, kann eben auch etwas weiter entfernt in den Dörfern ringsherum nette Unterkünfte finden.